Koalition der Frommen
Wie viel Religion verträgt die Republik?
Sie verweigern ihren Mitarbeitern das Streikrecht – und eine gescheiterte Ehe kann zur augenblicklichen Kündigung führen. Sie fordern das Verbot von unliebsamen Karikaturen und beanspruchen Macht und Einfluss – und vor allem jede Menge Subventionen aus öffentlicher Hand. Die Rede ist von Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Die Trennung von Kirche und Staat ist im Gesetz festgeschrieben – ebenso wie diese Sonderrechte. Die Kirchen verlieren zunehmend an Mitgliedern, ihre Bindungskraft nimmt rapide ab – ihre Privilegien scheinen ungebrochen.
Warum eigentlich? Wie viel Nähe zu Kirche und Glauben verträgt der säkulare Rechtsstaat? Wie viel Respekt, aber auch wie viel Distanz ist geboten? Ist die zweifellos zu schützende Religionsfreiheit ein Privileg ohne Grenzen? Mit welchem Recht beanspruchen die Lager der Frommen, ob nun Christen oder Muslime, Freiräume, die keiner anderen gesellschaftlichen Gruppe zugesprochen würden?
Erbitterter Streit um Beschneidung
Die Brisanz des Themas zeigte im vergangenen Jahr der erbitterte Streit um die religiös-rituelle Beschneidung. Hat hier eine Koalition der Frommen ein fragwürdiges Gesetz durchs Parlament gepaukt? Kämpfen Rabbiner, Imame und Bischöfe gemeinsam um tradierte Besitzstände? Oder geben die Religionen der säkularen Gesellschaft ein unverzichtbares Gepräge?
Das Verhältnis von Religion und Gesellschaft steht neu auf dem Prüfstand. Auffällig ist, dass es nicht mehr nur die bekannten Kritiker allein sind, die eine gar zu enge Verflechtung von Staat und Religion monieren. Selbst Papst Benedikt XVI hatte bei seinem letzten Deutschlandbesuch die "Entweltlichung" der Kirche gefordert, den Verzicht auf institutionalisierte Macht – oder wie der katholische Bestsellerautor Manfred Lütz sagt: "Die Menschen suchen nicht das kirchliche Arbeitsrecht, sie suchen, wenn überhaupt, das Spirituelle in der Kirche."
Der Film von Tilman Jens diskutiert die Kontroverse mit Politikern, ranghohen Vertretern der Kirchen, der muslimischen Verbände und des Zentralrats der Juden in Deutschland. Zu Wort aber kommen auch unbequeme Denker und Analytiker: von Manfred Lütz bis Michael Wolfssohn. Denn die Frage nach der Religion umtreibt die Republik nicht nur in Wahlkampfzeiten.
Ein Film von Tilman Jens
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