Montag, 29. November 2010

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Ihr Runder Tisch ohne Betroffene ist ein Irrweg!


Pressemitteilung (als PDF herunter laden)

Seit über einem halben Jahr tagt der „Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“. Doch bis heute schließt er die Betroffenen von sexualisierter Gewalt aus.

Stattdessen zeigt die Zusammensetzung des Runden Tisches – von einigen wenigen Vertretern von Opferhilfeverbänden abgesehen – eine klare Dominanz gerade der Organisationen, Arbeitgeber- und Berufsverbände, in deren Reihen zahlreiche Täter zu finden sind.

Beispielhaft sei hier nur die Katholische Kirche genannt, in deren Reihen unzählige Fälle sexualisierter Gewalt vorgekommen und jahre- oder gar jahrzehntelang vertuscht wurden. Mit welchem Recht sitzen Vertreter einer Organisation, deren Interesse bislang ausschließlich der Täterschutz war, am Runden Tisch, während diejenigen, denen durch diese Vertuschung unsägliches Leid widerfahren ist, davon ausgeschlossen werden?

Dieselbe Frage darf in Richtung aller derjenigen Organisationen, Arbeitgeber- und Berufsverbände gestellt werden, denen das Thema sexualisierte Gewalt an Kindern seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten bekannt ist, die aber bislang ebenfalls geschwiegen haben. Mit welchem Recht sitzen Vertreter von Organisationen, die durch ihr Wegsehen und Schweigen das Leid vieler Betroffener verlängert haben, am Runden Tisch, während Betroffene ausgeschlossen bleiben?

Nicht nur Betroffene stellen diese Fragen. Längst wird dieses Missverhältnis auch bei einigen Teilnehmern des Runden Tisches als skandalös wahrgenommen. Daran ändert auch eine einmalige Anhörung von einigen wenigen handverlesenen Betroffenen nichts. Angesichts des offensichtlichen Missverhältnisses am Runden Tisch muss dies als eine Maßnahme zur Wahrung des Scheins verstanden werden.

Festzuhalten ist: Am Runden Tisch treffen viele derjenigen zusammen, die schon bislang wenig Interesse für die Belange der Betroffenen gezeigt haben. Denen bislang vor allem der Schutz der Täter bzw. der Institution am Herzen lag.

Dagegen darf offensichtlich die Perspektive, die Erfahrung und die Expertise der Betroffenen nicht in die Beratungen des Runden Tisches einfließen.

Jedes Ergebnis, jeder Beschluss eines so einseitig besetzten Runden Tisches steht damit von Anfang an unter dem Verdacht des weiteren Täterschutzes, bzw. des Schutzes der jeweiligen Institution. Ohne gleichberechtigte Partizipation der Betroffenen entbehren sämtliche Äußerungen zu guten Intentionen, Prävention und geplanten Veränderungen der soliden Basis und somit jeglicher fachlicher und demokratischer Legitimität.

NetzwerkB fordert die Änderung der strukturellen personellen Zusammensetzung des Runden Tisches, so dass Betroffene im gleichen Beteiligungsverhältnis wie Nicht-Betroffene am Tisch sitzen. Nur so können überzeugende und ernstzunehmende Reformvorschläge zum Schutz vor sexualisierter Gewalt an Kindern erarbeitet werden.

Für Journalisten-Rückfragen steht netzwerkB am 1.12.2010 von 15:00 bis 18:00 Uhr vor dem HUMBOLDT CARRÉ, Behrenstraße 42, 10117 Berlin, zur Verfügung.


netzwerkB.org (Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt) ist eine unabhängige Interessenvertretung. Wir setzen uns für die Rechte Betroffener ein, indem wir das gesellschaftliche Schweigen brechen, über Ursachen und Auswirkungen sexualisierter Misshandlung informieren, beraten und uns für konkrete Veränderungen stark machen.

netzwerkB bittet darum an Betroffene die netzwerkB-Kontaktdaten weiterzugeben sowie die Kontakt-Email (info@netzwerkb.org) und Website (www.netzwerkB.org) zu veröffentlichen.

interessante violette Links » Nics Bloghaus II

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Nov 282010

Der WDR hat ein Interview mit Carsten Frerk, dem Autoren des Violettbuches geführt, dass erfreulicher Weise auch als Podcast bereitsteht: und zwar hier.

Sehr interessant finde ich einen Artikel im Neandertal-Kurier Blog. Ein Blog, der sich selbst als christlich beschreibt, veröffentlicht einen kritischen Artikel: “Violettbuch Kirchenfinanzen” – überflüssig und trotzdem notwendig! in dem es unter anderem heißt:

“Das Buch von Carsten Frerk ist überflüssig, weil es nichts verändern wird im Finanzwesen „Kirche“. Davon gehe ich aus! Mich hat nur gewundert, wie zum Beispiel unsere evangelische Amtskirche – die EKD – darauf reagierte.” Im Weiteren geht er auch auf die Gegendarstellung der EKD ein und zitiert auch aus den beiden von mir aufgegriffenen Artikeln auf evangelisch.de von Thomas Begrich (hier und hier). Und findet es ebenso unseriös, dass dieser sich mit dem Hinweis, da es sich bei Frerks Buch “nur” um eine Streitschrift und nicht um ein sachliches Buch handelt, aus der Affäre zu ziehen versucht.

Die beiden Veröffentlichungen haben mir gezeigt, was „interessengeleitet“ bedeuten kann – und dann auch diese perverse Argumentation: wenn man die Finanzierung der Kirche mit staatlichen Zuschüssen diskutieren und vielleicht auch abschaffen will, dann gefährdet man den Glauben und Gott und den Bestand der Kirche – und es entsteht eine „Gesellschaft ohne Barmherzigkeit.“ Das tut weh, wenn so argumentiert und Ansprüche auf Finanzen verteidigt werden! Und ist m.E. ein Armutszeugnis für die, die so reden – müssen!

Es gibt Momente, wo mir kritische Christen näher zu sein scheinen, als die “eigenen Leute” :-)

Wir werden also in Deutschland mit diesem finanziellen Verzahnungsproblem weiter leben müssen. Ich bin nur der Überzeugung, dass dadurch der Schaden für die Kirche immens ist [...] „Freie Kirche in einem freien Staat“ – oder: Trennung von Staat und Kirche – aber etwas konsequenter! Und wenn: Dann sollten wir uns nicht „von außen“ zwingen lassen, sondern aus eigenem Antrieb vollziehen – zum Wohle und Nutzen unserer Kirche!